Inter(-sexuell)

Folgende Szene hast du bestimmt schon in irgendeinem Film gesehen: Nach einer Geburt schaut die Ärztin oder der Arzt zwischen die Beine des Neugeborenen und verkündet den glücklichen Eltern: „Es ist ein Mädchen.“ Oder: „Es ist ein Junge.“

In der Realität sieht das gar nicht so viel anders aus – auch wenn mittlerweile viele Eltern schon Monate vor der Geburt durch einen Ultraschalltest das Geschlecht ihres Kindes erfahren. Hat das Kind einen Penis: Junge. Hat es eine Vagina: Mädchen. Ist doch ganz logisch oder? So logisch ist es tatsächlich nicht, denn es kommt immer wieder vor, dass Kinder mit einem nicht eindeutigen Geschlecht geboren werden. Verschiedene hochkomplizierte Mechanismen in unserem Körper entscheiden darüber, ob wir eher typisch männliche oder typisch weibliche Merkmale aufweisen. In den meisten Fällen führt das dazu, dass wir eindeutig entweder als Mann oder als Frau zu erkennen sind. Manchmal aber sind Ergebnisse weniger klar, dann sind die Grenzen zwischen Mann und Frau, Junge und Mädchen fließend. Manchmal sieht man das nach der Geburt sofort, wenn das Kind beispielsweise  einen besonders kleinen Penis hat oder eine Scheide und Hoden. In den meisten Fällen wird das allerdings erst später festgestellt – zum Beispiel, wenn ein vermeintliches Mädchen mit der Zeit auffällig groß und breitschultrig wird und eine tiefe Stimme bekommt oder wenn einem angeblichen Jungen in der Pubertät kleine Brüste wachsen. Werden dann Tests gemacht, kommt manchmal heraus, dass sich auch medizinisch kein eindeutiges Geschlecht zuordnen lässt. Man bezeichnet solche Menschen als „intersexuell“, was soviel bedeutet wie „zwischengeschlechtlich“. Einige Betroffene empfinden diese Bezeichnung allerdings als unpassend, weil sie sich nicht als „zwischen“ irgendetwas empfinden. Manche bezeichnen sich lieber als „Zwitter“ oder „Hermaphroditen“.

Intersexualität gibt es schon so lange wie es Menschen gibt, und zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten wurde ganz unterschiedlich damit umgegangen. Zum Beispiel wird Intersexualität in manchen Religionen als heilig angesehen und als eine höhere Stufe des Lebens, die näher an Gott sei. Im Gegensatz dazu wurde  und wird Intersexualität gerade in der westlichen Welt bis heute von vielen Ärzt_innen als Krankheit angesehen. Lange Zeit war es deswegen auch in Deutschland üblich, Babies, die mit uneindeutigem Geschlecht geboren wurden, direkt nach der Geburt oder noch als Kleinkind zu operieren und damit auf ein Geschlecht festzulegen – oft ohne Absprache mit den Eltern und ohne dass das Kind auch nur die Chance auf eine eigene Entscheidung hatte. Man ging davon aus, dass es jedem Menschen mit einem eindeutigen Geschlecht im Leben besser gehen musste. Das stellte sich allerdings immer wieder als Irrtum heraus, nicht nur weil die meisten Betroffenen sich nach der ersten Operation ihr Leben lang immer weiteren Eingriffen unterziehen und Medikamente schlucken müssen. Viele leiden auch psychisch darunter, ohne Mitspracherecht auf eine bestimmte Identität festgelegt worden zu sein, mit der sie sich vielleicht gar nicht wohlfühlen. Nicht wenige Intersexuelle wollen sich überhaupt nicht verändern und fordern, dass sie auch dann von der Gesellschaft akzeptiert werden, wenn sie sich nicht in eine der beiden Kategorien „Frau“ oder „Mann“ einordnen lassen. Sie wollen weder heiliggesprochen noch diskriminiert werden, sondern einfach wie „normale“ Menschen behandelt werden.

Mittlerweile geht man in Deutschland zum Glück anders mit Intersexualität um, Kinder werden nicht mehr ohne jede Rücksicht im frühen Kindesalter zwangsoperiert. Trotzdem haben viele intersexuelle Menschen nach wie vor Probleme, akzeptiert zu werden – oft fordert selbst die eigene Familie von ihnen, sich für eines der beiden Geschlechter zu entscheiden –, und akzeptieren sich in der Folge oft auch selbst nicht so, wie sie sind. Wenn du diese Probleme kennst und nicht weißt, mit wem du darüber sprechen kannst: Wir vom Fem-Mädchenhaus unterstützen dich gerne entweder hier im geschlossenen Bereich oder im offenen Forum.