Der Migrationshintergrund – ein etwas merkwürdiger Begriff, von dem du bestimmt schon einmal gehört hast. Vielleicht weißt du auch, dass du selbst so einen Migrationshintergrund hast. Damit wärst du in guter Gesellschaft: Ungefähr jeder fünfte Mensch in Deutschland hat einen.
Wenn man „Migrationshintergrund“ googled, lautet eine der ersten Überschriften, die vorgeschlagen werden: „Wie kriminell sind Jugendliche mit Migrationshintergrund wirklich?“ Die Frage zeigt, dass viele Menschen in Deutschland mit dem Begriff negative Dinge verbinden – neben Kriminalität sind das zum Beispiel Arbeitslosigkeit, geringe Bildung oder die Unterdrückung von Frauen. Ist in der Zeitung oder im Fernsehen von einer Familie mit Migrationshintergrund die Rede, wissen alle Zuschauer: „Aha, hier geht es wohl um eine Familie mit vielen Problemen.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass viele der vermeintlich „echten“ Deutschen, die so denken, selbst einen Migrationshintergrund haben ohne es zu wissen, ist dabei ziemlich groß. Der Begriff umfasst Menschen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Er wurde eingeführt, weil bisherige Bezeichnungen wie „Ausländer_in“ oder „Migrant_in“ (das Wort kommt vom lateinischen Begriff migratio, der soviel wie Wanderung, Auswanderung oder Umzug bedeutet) den Behörden nicht mehr halfen, sich ein Bild von der Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung zu machen. Sie standen vor dem Problem, dass viele Menschen in Deutschland einen deutschen Pass haben (also keine „Ausländer_innen“ sind) und außerdem schon in Deutschland geboren wurden (also keine „Migrant_innen“ sind) – deren Familien aber irgendeine Art von Einwanderungsgeschichte haben. Die Bezeichnung „mit Migrationshintergrund“ soll demnach beschreiben, dass diese Menschen von Migration beeinflusst sind, auch wenn sie selbst in Deutschland geboren und deutsche Staatsbürger_innen sind.
Deswegen haben einen Migrationshintergrund nicht nur Menschen, die selbst nach Deutschland immigriert (eingewandert) sind, sondern auch solche, von denen mindestens ein Elternteil entweder nach Deutschland eingewandert oder kein_e deutsche_r Staatsbürger_in ist.
Um uns klarzumachen, was das bedeutet, stellen wir uns kurz folgende Szene vor: In einer Klasse sitzen zwei Freundinnen nebeneinander. Elif hat schwarze Haare und braune Augen, Sophia blonde Haare und blaue Augen. Es ist klar, auf wen von beiden die meisten tippen würden, wenn sie hören, dass eine der beiden einen Migrationshintergrund hat: Auf Elif, wegen ihres Namens, wegen ihres Aussehens. Dabei könnte es durchaus sein, dass von den beiden nur Sophia einen Migrationshintergrund hat – vielleicht, weil ihr Papa als Kind aus Polen nach Deutschland gezogen ist, während in Elifs Familie nur die Großeltern aus der Türkei nach Deutschland gezogen und ihre Eltern beide in Deutschland geboren sind.
Der Migrationshintergrund sagt also eigentlich sehr wenig über eine Person aus. Egal wie du aussiehst, wie du heißt oder von wo du oder deine Familie irgendwann mal hergekommen sind: Wer du bist, entscheidest du. Wenn du dich als Deutsche fühlst, ist das gut so. Wenn du dich als Türkin, Nigerianerin, Brasilianerin oder Serbin fühlst, ist das gut so. Und wenn dir all das total egal ist und du dich vielmehr als Abenteurerin, Malerin, Handballprofi oder als Muslima fühlst, dann ist das auch gut so.
Übrigens: Die Antwort, die der am Anfang erwähnte Artikel auf die Frage „Wie kriminell sind Jugendliche mit Migrationshintergrund wirklich?“ gibt, überrascht wenig: Sie sind im Durchschnitt genauso kriminell oder unkriminell wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund.