Eine junge Frau hat uns Ihre Geschichte geschickt - herzlichen Dank dafür!!!

Liebe Leserinnen, liebe Mädels, liebe Kämpferinnen,

 

ich möchte in den nächsten Zeilen mein Erlebnis mit Euch teilen, wie ich mit gewissen Situationen umgegangen bin, wer mir dabei geholfen hat und letztendlich auch wo ihr Euch hinwenden könnt, wenn ihr mal in einer solch ähnlichen Lage steckt und nicht mehr weiter wisst, wie der nächste Schritt aussehen könnte. Was ganz wichtig ist : GLAUBT AN EUCH! LASST EUCH NIEMALS SEELISCH UND EMOTIONAL MANIPULIEREN ODER GAR ERPRESSEN! IHR SEID NICHT ALLEINE, ES GIBT IMMER EINE LÖSUNG FÜR ALLES! Und wenn nichts mehr geht, dann ruft umgehend die POLIZEI an! Scheut Euch nicht.

 

 

Kurz zu meiner Person: ich bin eine junge Frau (Mitte zwanzig) mit Migrationshintergründen, ich komme aus Südostasien
Seit Frühjahr letzten Jahres habe ich einen deutschen Mann (ebenfalls Mitte zwanzig) an meiner Seite. Seither sind wir sehr glücklich zusammen und möchte unsere Zukunft gemeinsam aufbauen und gestalten.

 

 

Leider konnte ich nicht von meinem Glück von Anfang an zu Hause weder meinen Eltern noch meiner jüngeren Schwester erzählen. Denn meine Eltern haben andere Vorstellungen über das Leben ihrer Kinder (die Kinder dürfen/können nicht ihr Leben frei bestimmen). Ich wurde hier in Deutschland geboren, habe den gewöhnlichen Bildungsweg eingeschlagen, eine Ausbildung absolviert und arbeitete erfolgreich. Ab einen gewissen Alter beginnen die Eltern in unserer Kultur / in unserer Gesellschaft, einen passsenden Ehemann für die Töchter zu finden. Dies geschah auch bei mir -  vor etwa ein bis zwei Jahren ging die Suche los. Mit mir haben sie nie darüber offen gesprochen, immer still und heimlich und manchmal bekam ich das aus Zufall mit.

Meinem Freund habe ich bereits von Anfang an klar gestellt, dass meine Eltern gegen unsere Beziehung sein werden und es ein harter Kampf wird, sobald ich ihnen von unserer Beziehung erzähle. Also verheimlichte ich die Beziehung mit meinem Freund bis Anfang diesen Jahres vor meinen Eltern. Meiner jüngeren Schwester habe ich im Herbst letzten Jahres von mir und meinem Freund erzählt. Sie hat mir ihre vollständige Unterstützung fest zugesagt.  Auch die komplette Unterstützung meines Freundes sowie seiner Familie war und ist nach wie vor zu 100% gegeben.
Nachdem ich meinen Eltern von meinem Freud erzählte, erlebte ich wohl mit Abstand die schlimmsten drei Wochen meines Lebens und hiervon möchte ich Euch nun erzählen.

Ich bekam mein Handy abgenommen, musste mit meinem Freund vorher per WhatsApp 'Schluss machen', meine Chatverläufe über diesen Nachrichtendienst hat sich mein Vater alle durchgelesen, er hat danach alle Nummern gelöscht, alle Bilder gelöscht, mein Handy formatiert und auf Werkseinstellung zurück gesetzt. Ich durfte für fast zwei Wochen nicht arbeiten gehen (quasi Hausarrest bekommen) , stand unter ständiger Beobachtung meiner Eltern (im Wechsel) und hatte selten  Zeit für mich alleine gehabt, sogar beim Arztbesuch wurde ich nicht aus den Augen gelassen. Außerdem hat mein Vater Zugriff auf E-Mail-Account verschafft (ich stand per Mail mit meinem Freund und seiner Mutter sowie zwei Freunden in Kontakt, um ihnen von der Lage zu Hause zu berichten) und er hat allen geschrieben, dass sie sich nicht mehr bei mir melden dürfen und dass meine Eltern wissen, wie sie das Leben ihrer Tochter zu gestalten haben. Außerdem musste ich meinen Job kündigen, da meine Eltern der Meinung sind, dass mein Umfeld mich zu einem schlechteren Menschen gemacht haben. Mir wurden also sämtliche Kontaktwege zu meinen Mitmenschen (Freunde/Kollegen) 'abgeschnitten'.
Ich hatte die Möglichkeit gehabt, ein Prepaid Handy mir zu organisieren, sodass ich heimlich per SMS und Telefon mit meinem Freund, seiner Mutter sowie meiner Schwester (sie ist bereits ausgezogen von daheim) in Kontakt stehen konnte (es tut immer wieder gut zu wissen, auf welche Leute man sich verlassen kann, wenn es darauf ankommt, denn ein Arbeitskollege hat mir dies ermöglicht). Zum Glück wurde dieses Handy nie von meinen Eltern aufgefunden. 

Wenn ich mal eine freie Stunde hatte, habe ich die Möglichkeit ergriffen, um bei verschiedenen Schutzeinrichtungen anzurufen (meine Schwiegermama hat alle mögliche Hebel in Bewegung gesetzt und hat mir Nummern von diversen Einrichtungen -> Frauenhäuser, Frauennotruf, Frauenberatungsstellen mit Schwerpunkt auf Migrationshintergund, profamilia, FeM Mädchenhaus Frankfurt per SMS zukommen lassen.) Dort bekam ich professionelle Beratungen (per Telefon und Onlineberatung), ich habe auch mehrmals bei den Stellen angerufen um mich ausheulen zu können und mir mehrere Meinungen/Hilfen zu holen. Dadurch hatte ich die Möglichkeit 'in Ruhe' meine nächsten Schritte zu überlegen.

 

 

Auf jeden Fall kam es dann dazu, dass ich mich dazu entschied, von zu Hause weg zu laufen. Daraufhin wurden die notwendigen Polizeistellen seitens der Familie meines Freundes informiert, sodass mein Plan reibungslos ablaufen konnte. In dieser ganzen Zeit musste ich mir so gut wie jeden Tag von meinen Eltern anhören, dass ich einen Fehler gemacht habe. Meine Mutter hat Tag täglich damit gedroht, sich umzubringen, dass sie ihre Verwandtschaft auf mich hetzen wird, falls ich von zu Hause weglaufe bzw. ich mich für meinen Freund entscheiden sollte...ja, sogar von Mord wurde gesprochen.
Nun, einige Wochen später, sitze ich bei meinem Freund, es ist KEINER gestorben, allen geht es (den Umständen entsprechend) gut.

 

 

Da ich von Anfang an wusste, dass ich irgendwann zwischen meinem Freund und meinen Eltern 'entscheiden' muss, habe ich alle wichtigen Unterlagen (Zeugnisse, Versicherungsunterlagen, Bankunterlagen etc. pp.)  auf einen USB-Stick gezogen,  sodass ich hier einen Neustart beginnen kann. Ich habe mich dazu entschieden, einen neuen Job anzufangen.
Natürlich habe ich Sehnsucht nach meinen Eltern, denn ich habe seit der 'Flucht' keinen Kontakt mehr zu ihnen, da ich seelisch und physisch dazu keine Kraft habe. Nun stehe ich erst mal im 'Mittelpunkt', stehe unter psychologischer Behandlung, suche einen neuen Job und versuche dieses Erlebnis so gut es geht zu verarbeiten.

 

 

Und natürlich hoffe ich, dass ich irgendwann wieder mit meinen Eltern normal sprechen kann, aber damit lasse ich mir noch Zeit, denn Zeit heilt bekanntlich Wunden.

 

 

Bleibt stark Mädels, ihr schafft das!