Zwangsehe und arrangierte Ehe

Eine Ehe ist nach deutschem Recht eine freiwillige Verbindung zwischen zwei Menschen, in der beide gleichberechtigt sind. Niemand darf gezwungen werden, jemand anderen zu heiraten. Und auch eine freiwillige Ehe kann zu einer Zwangsehe werden, wenn eine Frau die Ehe beenden will, aber daran gehindert wird. Jede Frau hat das Recht, sich scheiden zu lassen.

Was ist eine arrangierte Ehe?

In Gesellschaften mit sehr traditionellen Familienverhältnissen sind oft „arrangierte Ehen“ üblich: Mädchen und Jungen suchen sich nicht selbst aus, wen sie heiraten wollen, sondern die Familien vereinbaren eine Ehe zwischen ihren Kindern. Übrigens war das bis vor 150 Jahren in Deutschland noch ganz ähnlich; die „Liebesheirat“ ist auch hier noch gar nicht so lange der Normalfall. Natürlich ist nicht jede arrangierte Ehe eine Zwangsehe. Wenn die zukünftigen Eheleute beide mit der Ehe vollkommen einverstanden sind, wenn beide ohne Druck oder Zwang zustimmen und wenn sie auch die Freiheit haben, sich gegen diese Ehe zu entscheiden, dann gibt es kein Problem. Dann ist die arrangierte Ehe nur ein anderes „Dating-Konzept“, in dem die Familie eine besonders große Rolle spielt.

Was ist eine Zwangsheirat?

Erst wenn die Ausübung von Macht oder Gewalt ins Spiel kommt und der Wille des Mädchens oder der Frau übergangen wird, ist es eine Zwangsheirat. Selbst dann, wenn kein offener Zwang ausgeübt wird, aber ein Mädchen nicht wagt, sich zu widersetzen. Eine Zwangsverheiratung ist es, wenn du gezwungen wirst zu heiraten oder wenn du gar nicht erst nach deinem Willen gefragt wirst. Dabei spielt es keine Rolle, welche Art von Ehe geschlossen wird: ob es eine formelle Ehe ist oder eine informelle Ehe, die durch eine religiöse oder soziale Zeremonie geschlossen wird.

Egal, was deine Familie dir erzählt: Niemand hat das Recht, dich zu einer Heirat zu zwingen. Schon gar nicht, wenn du noch minderjährig bist. Lass dich nicht unter Druck setzen! Zugegeben, das ist nicht leicht, wenn die Menschen, die dir am nächsten stehen, plötzlich nicht mehr mit dir reden. Wenn sie dich beschimpfen, kontrollieren und im Haus einsperren, deine Telefongespräche überwachen und deine Nachrichten lesen. Oder wenn sie dich nach der Schule nicht mehr aus dem Haus lassen, du dich nicht mehr mit deinen Freund*innen treffen darfst, die ganze Zeit im Haushalt helfen musst. Vielleicht beschuldigen sie dich auch, dass du ihre Ehre beschmutzt, vielleicht schlagen sie dich oder drohen, dich in ihr Heimatland zu bringen. Aber je größer der Druck ist, desto wichtiger ist dein Widerstand: Bleib bei deiner Meinung, hör auf dein Gefühl! Du hast Rechte, und das Gesetz ist auf deiner Seite. Du hast das Recht auf eigene Kontakte, Unternehmungen und Freundschaften außerhalb der Familie, du hast das Recht auf eine eigene Privatsphäre.

Ist Zwangsverheiratung verboten?

Zwangsverheiratungen sind Menschenrechtsverletzungen. Sie verstoßen in fast allen Ländern der Welt gegen das Gesetz. Auch in Deutschland sind sie verboten. Seit 2011 gibt es hier sogar ein eigenes Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz: Nach § 237 Strafgesetzbuch ist die Zwangsverheiratung ein eigener Straftatbestand, der mit einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann. Eine Zwangsheirat kann also bei der Polizei angezeigt werden. Wenn du bereits zur Heirat gezwungen worden bist, kannst du die Aufhebung der Ehe beantragen. Dafür musst du innerhalb von drei Jahren einen entsprechenden Antrag mithilfe einer Rechtsanwältin / eines Rechtsanwalts stellen.

Durch das Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz werden auch Heiratsverschleppungen ins Ausland bestraft, sogar der Versuch einer solchen Verschleppung ist schon strafbar. Und auch die Zwangsverheiratung im Ausland kann bestraft werden, ganz egal, wie die Rechtsprechung im jeweiligen Land ist. Wenn das Mädchen, das im Ausland zwangsverheiratet wird, seinen Wohnsitz oder einen regelmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat, können die Täter*innen in Deutschland verurteilt werden. Anders als früher erlischt auch die Aufenthaltserlaubnis mit Verlassen der Bundesrepublik nicht mehr nach sechs Monaten. Sofern das Mädchen/die Frau mit Gewalt oder Drohungen zur Heirat genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde, kann sie innerhalb von zehn Jahren wieder nach Deutschland einreisen.

Zwangsverheiratung von Minderjährigen

Seit 2017 gibt es in Deutschland ein eigenes Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Das Mindestalter für Heiraten liegt seit Einführung dieses Gesetzes ausnahmslos bei 18 Jahren, und das gilt sowohl für Personen mit deutscher als auch mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit. Vor Einführung dieses Gesetzes konnten in Ausnahmefällen auch Mädchen ab 16 Jahren heiraten, jetzt ist das verboten. Das gilt auch für die Verheiratung oder Verlobung von Minderjährigen in einer traditionellen oder religiösen Zeremonie. Ehen mit Minderjährigen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen wurden, können auf Antrag für ungültig erklärt werden.

Warum finden Zwangsheiraten statt?

Für Zwangsverheiratungen gibt es verschiedene Gründe. Einer Studie zufolge war in mehr als der Hälfte der Fälle das Ansehen der Familie das Hauptmotiv. In einem Fünftel der Fälle bekam die Familie Geld für die Heirat. In 4 % der Fälle sollten Mädchen oder Jungen verheiratet werden, weil sie lesbisch oder schwul waren. Bei jeder zehnten Zwangsverheiratung ging es um einen Aufenthaltstitel in Deutschland für den Ehepartner aus dem Ausland.

Die Ergebnisse einer Studie haben auch gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Gewalt in der Familie und Zwangsheiraten gibt. Viele zwangsverheiratete Frauen und Mädchen haben in ihrer Familie schon vorher körperliche Gewalt und Gefühlskälte erlebt. In einer intakten Familie, die von Wärme, Liebe und Fürsorge geprägt ist, würden Eltern ihre Tochter kaum zwingen, mit einem Mann, den sie nicht will, den Rest ihres Lebens und Sexuallebens zu teilen! Viele betroffene Familien waren in einer schlechten finanziellen Situation, bei der häufig auch Alkoholismus, Spielsucht oder Drogensucht des Vaters eine Rolle spielte. Die Töchter werden bei Zwangsheiraten oft als bloßes Mittel zum Zweck benutzt, um solche Probleme zu lösen: Sie sollen durch die Heirat den Wohlstand, das Ansehen oder den Aufenthaltsstatus der Familie verbessern.

Hast du Angst, im Ausland verheiratet zu werden?

Wenn du Angst hast, etwa bei einer Urlaubsreise ins Ausland verheiratet zu werden, dann versuch, Deutschland möglichst nicht zu verlassen. Du kannst dich z. B. am Flughafen an das Sicherheitspersonal wenden oder bei der Passkontrolle sagen, dass du gegen deinen Willen außer Landes gebracht werden sollst. Denn wenn du erst mal im Ausland bist, ist es viel schwieriger, Hilfe zu bekommen. Falls du die Abfahrt nicht verhindern kannst, triff Vorkehrungen: Gib einer Vertrauensperson deine Adresse und Telefonnummer am Urlaubsort, besorg dir die Telefonnummer der deutschen Botschaft oder des deutschen Konsulats im Reiseland, nimm ein Prepaid-Handy mit Guthaben mit, das im Reiseland funktioniert, nimm Geld und beglaubigte Kopien deines Passes mit, damit du notfalls allein zurückreisen kannst.

Wenn du im Ausland bist und schon verheiratet wurdest: Falls du die deutsche Staatsbürgerschaft hast, kannst du bei der deutschen Botschaft/dem deutschen Konsulat Hilfe bekommen. Wenn du nicht die deutsche Staatsbürgerschaft oder die doppelte Staatsbürgerschaft hast, ist es allerdings schwierig, dich nach Deutschland zurückzuholen.

Du hast das Recht, dich zu verlieben, in wen du willst

Den ersten Absatz über den Film „Mustang“ haben wir rausgemacht, um den Text etwas zu verkürzen.
Sich zu verlieben, ist eines der schönsten Dinge, die das Leben zu bieten hat. Und wenn du schon mal Sex hattest, ist das nichts, wofür du dich schämen musst. Jede*r hat ein Recht darauf, ihre/seine Sexualität auszuleben und sich den Zeitpunkt für Sex und den oder die Partner*in selbst auszusuchen! Niemand hat das Recht, dir vorzuschreiben, mit wem du zusammen bist. Wenn du eine/n Freund*in hast und Angst davor hast, es deinen Eltern zu sagen, kannst du zuerst über andere Mädchen sprechen, die in einer Beziehung sind, um zu testen, wie deine Familie darauf reagiert. Du kannst auch versuchen, dich erst mal anderen Familienmitgliedern anvertrauen, die dich dann bei deinen Eltern unterstützen können. Wenn du mit deinen Eltern nicht sprechen kannst oder willst oder wenn sie darauf bestehen, dass du deine Beziehung beendest und jemand anderen heiratest, solltest du unbedingt Hilfe bei einer Beratungsstelle suchen!

Hol dir Hilfe!

Jede Frau, jedes Mädchen sollte den Mut haben, sich von dem zu lösen, was ihr nicht guttut, auch wenn es die eigene Familie ist. Aber es tut weh, sich gegen die eigene Familie zu stellen. Vielleicht bist du hin- und hergerissen zwischen der Geborgenheit der Familie und deinen eigenen Wünschen. Es ist sehr schwer, so etwas alleine durchzustehen. Aber auch wenn es dir vielleicht so erscheint: Du bist nicht allein!

Sei mutig und mach den ersten Schritt! Geh zu einer Beratungsstelle in deiner Nähe. Du kannst dich hier auch direkt an unsere Onlineberatung wenden. Wenn du Angst vor Gewalt durch deine Familie hast, kann auch ein Frauenhaus oder eine Mädchenzuflucht eine gute Anlaufstelle sein.